Der Weg ist das Ziel
Klettern ist als Trendsportart bekannt und wird immer häufiger begeistert als Alternative zum Krafttraining im Fitnessstudio durchgeführt. Das therapeutische Klettern hingegen kommt in Deutschland bisher nur selten zum Einsatz. Dabei sind die verschiedenen, positiven Effekte auf Koordination, Muskelstabilisierung und Beweglichkeit durch wissenschaftliche Studien belegt.
Darüber hinaus gibt es klare Hinweise, dass im Krankheitsfall nicht betroffene Nervenzellen im Gehirn durch das therapeutische Klettern dazu angeregt werden, verloren gegangene Hirnfunktionen (z. B. Steuerung und Kontrolle von Bewegungen) zu übernehmen. Somit kann eine Kletter-Therapie vielfältig eingesetzt werden, etwa bei Rückenschmerzen oder Gelenkverletzungen, aber z. B. auch nach einem Schlaganfall. „Therapeutisches Klettern stellt eine sinnvolle Ergänzung zur klassischen Physiotherapie dar“, erklärt Ute Repschläger, Vorsitzende des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten – IFK e. V.
Beim therapeutischen Klettern werden gezielte Übungen an neigbaren Therapiewänden im Boulderbereich – d. h. stets in Absprunghöhe – durchgeführt. Hier liegt auch schon ein erkennbarer Unterschied zum Sportklettern: Es geht nicht immer nach ganz oben und die Schwierigkeit der Routen steht ebenfalls im Hintergrund.
Verschiedene Bewegungen, z. B. Greif- und Zugbewegungen, welche mit dem gesamten Körper ausgeführt werden, fördern sowohl die sensorischen als auch die motorischen Fertigkeiten.
Die tiefensensiblen Reize verhelfen so u. a. zu einem besseren Gleichgewicht und einer Anpassung der Muskulatur. Die motorischen Fähigkeiten Koordination, Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit der Patienten werden geschult, wodurch das therapeutische Klettern einen positiven Effekt auf den gesamten Körper hat. „Durch die Vielfalt der Effekte können auch Patienten mit langjährigen Problemen am Bewegungsapparat vom Klettern profitieren“, so Ute Repschläger.
Patienten mit Rückenschmerzen oder einer Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose) haben oftmals bereits viele Therapieansätze ausprobiert und werden somit vereinzelt „therapiemüde“. Und genau hier hilft das therapeutische Klettern, wie eine Studie zeigt [Schluep, A., 2016]: Bereits nach vierwöchiger Klettertherapie verbesserte sich die gesundheitsbezogene Lebensqualität und die Rumpfkraft. Zudem stieg auch die Griffkraft deutlich. Ebenfalls konnte gezeigt werden, dass es zu einer Zunahme der Wirbelsäulenmobilität kam, wodurch die Prävention von Rückenbeschwerden unterstützt wird.
Therapeutisches Klettern stellt ein abwechslungsreiches Training dar, bei dem der gesamte Körper gefordert und gefördert wird. Diesen ganzheitlichen Körpereinsatz mit speziellen Bewegungsmustern gibt es an kaum einem anderen Trainingsgerät. Ute Repschläger hierzu: „Je nach zugrundeliegender Erkrankung werden alltagsrelevante Bewegungsübergänge trainiert, die beide Körper- und Gehirnhälften verknüpft, die Rückenmuskeln gekräftigt oder Beinachsen und Schultergelenke stabilisiert.“
Neben dem Einsatz in Therapie und Rehabilitation, findet therapeutisches Klettern auch in der Prävention immer mehr Anwendung. Es beugt Haltungsschwächen und einem muskulären Ungleichgewicht vor, regt das Herz-Kreislauf-System an und vermittelt daneben noch Spaß an der Bewegung.